Plötzlich Pflegefall: Was nun zu tun ist!
- Chantelle
- 4. März
- 4 Min. Lesezeit

Eine plötzliche Pflegebedürftigkeit bei deinen Lieben kann zu vielen Veränderungen und ganz neuen Herausforderungen führen. Auf einmal ist nichts wie davor - aber wie sollst du jetzt auf die neue Situation reagieren? Dieser Leitfaden gibt dir die wichtisten Punkte an die Hand, um einen kühlen Kopf zu bewahren und schnell zu handeln.
1. Plötzlich Pflegefall: Akute Situation bewältigen
Krankenhaus & Arztgespräch: Wenn ein Pflegefall eintritt, geschieht das oft nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer plötzlichen Verschlechterung der Gesundheit. Sprich daher mit den behandelnden Ärzten und Pflegekräften über den aktuellen Gesundheitszustand, die Prognose und welche Maßnahmen erforderlich sind. Frage bereits frühzeitig konkret nach der voraussichtlichen Pflegebedürftigkeit und ob eine Entlassung nach Hause möglich ist um dich bereits vorbereiten zu können.
Kurzzeitpflege organisieren: Falls eine sofortige häusliche Pflege nicht möglich ist, gibt es die Möglichkeit der Kurzzeitpflege. Dabei handelt es sich um eine vorübergehende Unterbringung in einem Pflegeheim, in dem deine Lieben betreut werden, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. Die Kosten können teilweise von der Pflegekasse übernommen werden (sofern bereits ein Pflgegrad vorliegt).
Pflegedienst anfordern: Ein ambulanter Pflegedienst kann kurzfristig Unterstützung leisten, zum Beispiel bei der Körperpflege, der Medikamentengabe oder bei der Versorgung von Wunden. Die Pflegekasse übernimmt – abhängig vom Pflegegrad – einen Teil der Kosten für die Leistungen.
2. Pflegegrad beantragen
Antrag bei der Pflegekasse stellen: Die Pflegekasse ist eine Abteilung der Krankenkasse und für die finanzielle Unterstützung von Pflegebedürftigen zuständig. Um Pflegeleistungen zu erhalten, muss zuerst ein Pflegegrad beantragt werden. Dies kann formlos per Telefon oder schriftlich geschehen. Nach dem Antrag wird die Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MDK) oder MEDICPROOF (bei Privatversicherten) mit einer Begutachtung beauftragen.
Begutachtung durch den Medizinischen Dienst: Ein Gutachter kommt zu der pflegebedürftigen Person nach Hause oder ins Krankenhaus, um die Pflegebedürftigkeit festzustellen. Dabei wird überprüft, wie selbstständig die Person noch ist und in welchen Bereichen Hilfe benötigt wird (z. B. Körperpflege, Mobilität, Ernährung). Ein Pflegetagebuch, in dem du als Angehörige/r dokumentierst, welche Unterstützung täglich geleistet wird, kann helfen, die Situation realistischer darzustellen.
Einstufung abwarten: Danach gilt es, den Bescheid abzuwarten. Nach der Begutachtung entscheidet die Pflegekasse über den Pflegegrad (1–5). Je höher der Pflegegrad, desto mehr Leistungen stehen zur Verfügung und desto besser kann die Pflege finanziert werden.
3. Finanzierung klären & Leistungen nutzen
Leistungen der Pflegeversicherung nutzen: Je nach Pflegegrad gibt es verschiedene finanzielle Unterstützungmöglichkeiten:
Pflegegeld: Wenn die Pflege von dir als Angehörigem übernommen wird, zahlt die Pflegekasse eine monatliche Unterstützung für dich an die pflegebedürftige Person.
Pflegesachleistungen: Falls ein professioneller Pflegedienst involviert ist, übernimmt die Pflegekasse anteilige Kosten. Meist wird direkt mit dem Pflegedienst abgerechnet.
Kombinationsleistungen: Eine Mischung aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen.
Zusätzliche finanzielle Hilfen prüfen: In bestimmten Fällen können weitere Hilfen beantragt werden, z. B.: Unterstützung bei den Wohnkosten (Wohngeld), Sozialhilfe oder Härtefallfonds (sofern die eignen Mittel nicht ausreichen).
Pflegezeitregelungen nutzen: Berufstätige Angehörige haben gesetzliche Möglichkeiten, sich für die Pflege freistellen zu lassen, z. B. durch:
Pflegezeit (bis zu sechs Monate unbezahlte Freistellung)
Familienpflegezeit (bis zu 24 Monate, mit reduzierter Arbeitszeit)
Pflegeunterstützungsgeld (bis zu 10 Tage Lohnersatzleistung im akuten Pflegefall)
4. Pflege organisieren
Entscheidung über die Pflegeform: Soll die Pflege zu Hause erfolgen, in einem Pflegeheim oder in einer betreuten Wohnform? Diese Entscheidung hängt von der persönlichen Situation, dem Gesundheitszustand deiner Lieben und den vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten ab. Es muss genau abgewägt werden, was ihr stämmen könnt und wo ihr Hilfe benötigt.
Hilfsmittel beantragen: Je nach Pflegegrad können notwendige Hilfsmittel wie ein Pflegebett, Rollator, Badewannenlift oder ein Hausnotrufsystem von der Pflegekasse finanziert oder bezuschusst werden. Dies ermöglicht in der häuslichen Pflege mehr Sicherheit und teilweise Entlastung.
Wohnraumanpassung planen: Sofern bauliche Veränderungen am Haus oder der Wohnung nötig werden (z. B. Türverbreiterungen, barrierefreie Dusche,...) gibt es Zuschüsse von bis zu 4.180€ pro Maßnahme und Person von der Pflegekasse. Sofern mehrere Pflegebedürftige Personen in einem Haushalt wohnen, kann es bis zu 16.000€ Zuschuss geben.
5. Unterstützung einholen
Pflegeberatungsstellen aufsuchen: Pflegestützpunkte, Wohlfahrtsverbände (AWO, DRK, Caritas, Diakonie) und die Pflegekasse bieten kostenlose Beratung zur Organisation und Finanzierung der Pflege. Zusätzlich können Pflegeberater bei Fragen aufklären und unterstützen.
Selbsthilfegruppen und Ehrenamtliche Dienste nutzen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann eine emotionale Stütze sein. Ehrenamtliche Helfer bieten z. B. Besuchsdienste oder Begleitung zu Arztterminen an. In Communities kann man sich mit Gleichgesinnten austauschen und seine Fragen stellen. Das ist auch im Pflege Insider Forum möglich.
Entlastungsangebote als pflegender Angehörige wahrnehmen: Um Überlastung zu vermeiden, gibt es verschiedene Möglichkeiten für dich. Neben der mentalen Stütze durch Beratung und Community bzw. den Austausch mit Gleichgesinnten kannst du folgende Optionen für dich evaluieren:
Tagespflege: Tagsüber Betreuung deines Lieben in einer teil-stationären Einrichtung, abends sind sie wieder zu Hause.
Verhinderungspflege: Falls du als pflegender Angehöriger verhindert sein solltest, übernimmt die Pflegekasse die Kosten für deine Vertretung (Urlaub, Krankheit, etc.).
Kurzzeitpflege: Vorübergehende stationäre Pflege, wenn zu Hause keine Betreuung möglich ist.
6. Eigene Belastung beachten und reagieren
Auszeiten nehmen: Pflege kann emotional und körperlich sehr belastend sein. Nutze daher die oben geannten Unterstützungsangebote, um dir von Zeit zu Zeit eine Pause zu gönnen. Auch Selbstfürsorge im Plfegealltag ist ein wichtiges Thema: Sich täglich eine kleine Auszeit zu gönnen (bereits ab 3 Minuten) kann dein Wohlbefinden sichtlich fördern. Wie du das schaffst und was du tun kannst, liest du in meinem nächsten Artikel.
Psychologische Unterstützung: Beratungsstellen für pflegende Angehörige und Selbsthilfegruppen untersützen dich, Stress und Ängste zu bewältigen. Auch eine professionelle psychologische Beratung kann sinnvoll sein und sollte durchaus in Erwägung gezogen werden, bevor es zu einem Burnout oder anderen starken Einschränkungen kommt. Auch psychologische Coaches können dir auf dem Weg als pflegende Angehörige helfen und zur Seite stehen.
Rechtzeitige Vorsorge treffen: Wichtige Dokumente wie eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht können zukünftige Entscheidungen erleichtern und Streitigkeiten vermeiden. Diese sollten bereits vor der Pflegebedürftigkeit vorliegen, spätestens jedoch mit Beginn dieser. Das Thema ist häufig mit Tabus behaftet und schwierig anzusprechen - es ist jedoch immer von Vorteil Dinge vorab festzulegen, damit im Ernstfall keine unnötigen Streitigkeiten und Verwerfungen innerhalb der Familie geschehen müssen. Dies ist sicher auch im Sinne deiner Lieben.
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